Angeregt durch den Text über die Gräberverlosung von „Autorenseite“ komme ich ins Überlegen, was bei uns auf dem Friedhof im ländlichen Nordhessen so abgeht. Hier eine kleine Übersicht, wie es in unserem Örtchen aussieht:
Bei uns gibt es immerhin zwei Friedhöfe – einen „alten“ und einen „neuen“. Auf dem „alten“ lagen früher tatsächlich sehr alte Menschen begraben. Alte Eichen zieren die Wege und alles wirkte so wie ein Friedhof eben sein sollte. Auf dem „neuen“ Friedhof geht es dicht an dicht, Gräber aller Jahrgänge mit üblicher Grabbepflanzung reihen sich vorschriftsmäßig nebeneinander, große Felder für zwei Mann, einzelne und seit einiger Zeit auch kleinere Karrees für Urnengräber.
Die Bestattung
In meiner frühen Kindheit war das übliche Bestattungsritual so: Man verständigte zeitnah unseren Schreiner – von dem hatten Verstorbener und Familie schon immer Fenster und Türen bezogen, daher konnte man ihm auch für den letzten Weg eine Expertise zutrauen. Voller Andacht kümmerte sich der Heinrich, jetzt der Klaus und auch der Phil geht diesen Weg der doppelten Profession. Beerdigt wurde im Eichensarg, ordentlicher Aushub, ab durch die Mitte und dann ein Grab mindestens 2 x 2 Meter groß. Mindestens 20 Stiefmütterchen waren später vonnöten, um diese Fläche zu bespielen. Im ersten Jahr mit Holzumrandung ohne Stein, noch vom Heinrich zusammengekloppt, damit die Erde nicht absackt, sucht man sich im 2. Jahr einen Steinmetz. Die Kosten für eine Grabeinfassung betragen je nach Wunsch ca. 3000,- und mehr. Unser Opa hat ein zurückhaltendes „Orion“-Granit, unser Papa ein flottes „Himalaya“. Beides gut zu pflegen, einmal investiert eine Sache für immer. Den Unterschied macht jetzt aber vor allem die Aufteilung:
Aufteilung und Dekoration
Eine Entwicklung der jüngeren Zeit ist die Tatsache, dass nicht jeder mit den 20 Stiefmütterchen umgehen kann und möchte, daher werden die Gräber insgesamt kleiner. Große Felder erhalten jetzt farbigen Kies, kleine Platten für Kerzen, Engel, Blumentöpfe, etc. kommen hinzu und sorgen dafür, dass es weniger Blumen und damit weniger Pflege braucht. Auf den Gräbern tummeln sich heute ulkige Andenken, die in meinen Kindertagen noch verpönt gewesen sind. Kerzen, die eigentlich als grundkatholisch und auf unseren Gräbern für nicht geeignet gelten, brennen nun allerorten bewacht von lustigen Kunststoffengeln.
Reduzierung
Unsere Familie ist Fan dieser Engel. In den ersten Monaten sah das Grab unseres Vaters aus wie die Gedenkstätte von Lady Diana – so viele Blumen, Herzchen und Plunder, der sich nach und nach verflüchtigt hat und der dem schmalen Grab auch besser tut. Unser Papa hat ein Einzelgrab mit Urne und Option auf eine weitere Urne. Er hat nur einen kleinen Stein und wenn man genau hinsieht, erkennt man die mögliche zweite Zeile. Meine Mutter will sich ein Türchen offen lassen. Wer weiß, was oder wer noch kommt? Die Zeile für meine Oma ist merklich größer und schlug ihr jedes Mal drohend ins Gesicht, als sie an das Grab ihres Mannes trat.
Die Urne ist hier noch nicht lange Trend. Wahrscheinlich eine Glaubensfrage. Mittlerweile ist aber das halbe Dorf verbrannt worden, sodass man gern bereit wäre, das Schicksal dieser Jenseitsgemeinschaft zu teilen.
Zukunft
„Wir nehmen ein Rasengrab.“ Totenkult hat es immer gegeben, ob mit, ob ohne Religion und es bringt den Menschen etwas. Lasst mich engstirnig und gemein erscheinen, aber ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn wir unsere Leute unter einer Wiese verscharren mit einem Hinweisschild irgendwo am Eingang. Der alte Friedhof ist mittlerweile so ein Rasengrab. Die Sträuße liegen kreuz und quer. Es sieht schlimm aus. Ich kenne alte Menschen mit großen Familien, die äußern, dass ja später mal keiner da ist. Bestattungen sind teuer, Grabpflege auch, aber ein bisschen Deko, mal ein Röschen kann man doch für die Eigenen entbehren? Manchmal geht es nicht anders. Neulich wurde unsere Nachbarin am Sonntag beerdigt, weil die schwerbeschäftigte Familie – eine Armada aus Ärzten und BWLern – keine Zeit an einem Werktag hatte. Mensch, Leute!